Führungskräfte
müssen gegensteuern!
Pöbeleien, Bedrohungen, Handgreiflichkeiten: Gewaltausbrüche am
Arbeitsplatz sind ein wachsendes Problem. Wie Unternehmen Übergriffe wirksam
sanktionieren und präventiv einschreiten können, sagt Dr. Kerstin Neighbour von
Hogan Lovells.
Der Arbeitsplatz wird häufig zum gefährlichen Gewaltherd. Dies zeigen viele
Gerichtsfälle der jüngeren Vergangenheit. Kontrahenten attackieren sich mit
kiloschweren Katalogen, Motorradhelmen, Knallkörpern oder kochendem Wasser.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Fälle, in denen Arbeitnehmer ihren Kollegen
oder Vorgesetzten drohen, sie schwer zu verletzen oder sogar zu töten.
Streit kann leicht eskalieren
In der modernen Arbeitswelt reagieren viele Mitarbeiter offenbar zunehmend
reizbarer. Immer mehr Konflikte1 entladen sich in verbaler oder
körperlicher Gewalt. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Neben
einer wachsenden Arbeitsbelastung und zunehmendem Termindruck ist oft eine
unzureichende Kommunikations- und Konfliktkultur ursächlich.
Der Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz wird zu einer dringlichen
Management-Aufgabe. Mit den richtigen Maßnahmen lassen sich viele
Gewaltausbrüche verhindern oder eindämmen. Ungelöste Konflikte zwischen
Kollegen oder mit Vorgesetzten kommen Unternehmen teuer zu stehen. Betroffene reagieren
oft mit einer "inneren Kündigung" und stecken mit ihrer Unlust noch
die Kollegen an.
Entladen sich schwelende Konflikte in Gewalt, ist der Schaden noch ungleich
größer. Schnell sind das soziale Gefüge und die Produktivität ganzer
Unternehmensbereiche nachhaltig beschädigt.
Welches Sanktionsmittel ist angemessen?
Kommt es zu Gewalt am Arbeitsplatz, sollten Vorgesetzte zügig und
konsequent, aber nicht überstürzt reagieren. Alle arbeitsrechtlichen Sanktionen
wollen gut überlegt sein. Der Arbeitgeber trägt in einem
Kündigungsschutzprozess die Beweislast2 und muss seine Entscheidung
rechtfertigen. Wer unbedacht eine Kündigung ausspricht, riskiert langwierige
Kündigungsschutzprozesse mit ungewissem Ausgang. Die Crux: Zwar können
Gewaltausbrüche an sich eine Kündigung rechtfertigen, doch entscheiden
letztlich immer die individuellen Umstände. Deshalb empfiehlt sich bei
Eskalationen ein systematisches Vorgehen in enger Abstimmung mit Betriebsrat
und Personalabteilung (siehe "Bei Gewaltausbrüchen richtig vorgehen").
Bevor Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, müssen sie auch weniger
einschneidende Sanktionsmittel in Erwägung ziehen. Die mildeste Maßnahme ist
die Ermahnung als Vorstufe zur Abmahnung. Damit missbilligen Arbeitgeber
vertragswidriges Verhalten, verzichten aber auf arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Eine Ermahnung kommt bei einem einmaligen leichten Fehlverhalten von verdienten
Kräften in Betracht. Bei wiederholten oder schweren Übergriffen sollten
Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Damit dokumentieren sie den Sachverhalt
und sprechen eine klare Warnung aus. Im Wiederholungsfall müssen Täter mit
einer Kündigung rechnen. Bei erneuten Übergriffen nach einer vorausgegangenen
Abmahnung ist eine ordentliche Kündigung möglich. Bei sehr gravierenden Übergriffen,
die den Betriebsfrieden gefährden, dürfen Chefs auch zum stärksten aller
Sanktionsmittel greifen und sofort eine fristlose Kündigung aussprechen.
Übergriffe von vornherein vermeiden
Viele Aggressionen lassen sich vermeiden oder deutlich entschärfen, wenn
Vorgesetzte ein Gespür für drohende Konflikte entwickeln. Die Führungsriege
sollte Kontrahenten frühzeitig zu einer Aussprache mit einem neutralen Dritten
zusammenführen. Ansonsten entwickeln Konflikte schnell eine Eigendynamik, die
kaum mehr zu kontrollieren ist.
Vorgesetzte sollten ein respektvolles Miteinander4 vorleben und
fördern. Hilfreich sind allgemeine Regeln für die kollegiale Zusammenarbeit in
Form einer Arbeitsordnung oder eines Verhaltenskodex. Idealerweise entwickeln
Geschäftsführung, Betriebsrat und Belegschaft die Leitlinien gemeinsam. So
finden die Regeln breite Akzeptanz und helfen, Konflikte zu entschärfen, bevor
sie eskalieren.
Tipps für Vorgesetzte: Bei Gewaltausbrüchen richtig vorgehen
1. Vorgang aufklären: Nicht immer ist die Schuldfrage eindeutig. Klarheit
verschafft eine sorgfältige Aufklärung. Wer hat was genau gesagt oder getan?
Gibt es eine "Vorgeschichte" oder ging dem Übergriff eine Provokation
voraus? Hat der Täter sich im Nachhinein entschuldigt?
2. Beweise sammeln: Beteiligte schildern den Hergang oft unterschiedlich.
Der Arbeitgeber sollte Beweise einholen und protokollieren. Decken oder
widersprechen sich die Aussagen von Zeugen? Sind die Schilderungen realistisch?
Gibt es Videoaufnahmen und können diese vor Gericht als Beweismittel dienen?
3. Sanktionen abwägen: Arbeitgeber sollte nicht mit Kanonen auf Spatzen
schießen, sondern Sanktionsmittel mit Bedacht auswählen. Bei einer
Kündigungsschutzklage müssen sie sich vor Gericht rechtfertigen. Richter
hinterfragen, ob die Sanktionen angemessen und nicht überzogen sind.
Sicherheitshalber sollten Firmen vorab rechtlichen Rat einholen.
Sie benötigen Hilfe zur Personalrekrutierung? Rufen Sie mich an: 02365-9740897
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