Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG), begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt. Sie
erhielt im August 2018 von der Beklagten eine Auskunft nach §§ 10 ff.
EntgTranspG, aus der ua. das Vergleichsentgelt der bei der Beklagten
beschäftigten männlichen Abteilungsleiter hervorgeht. Angegeben wurde dieses
entsprechend den Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG als "auf
Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median" des
durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der
übertariflichen Zulage (Median-Entgelte). Das Vergleichsentgelt liegt sowohl
beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin. Mit
ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren
von Interesse - auf Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten
Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren
Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019 in Anspruch
genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das
Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die
Klage abgewiesen. Es hat angenommen, es lägen schon keine ausreichenden
Indizien iSv. § 22 AGG vor, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin
die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts
Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage
nicht abgewiesen werden. Aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergibt
sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach
den Vorgaben des EntgTranspG liegt in der Angabe des Vergleichsentgelts als
Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen
Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer
Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw.
gleichwertige Tätigkeit erhält. Die Klägerin hat gegenüber der ihr von der
Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare
Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt
war geringer als das der Vergleichsperson gezahlte. Entgegen der Annahme des
Landesarbeitsgerichts begründet dieser Umstand zugleich die - von der Beklagten
widerlegbare - Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung
"wegen des Geschlechts" erfahren hat. Aufgrund der bislang vom
Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen konnte der Senat nicht
entscheiden, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast
trifft, diese Vermutung den Vorgaben von § 22 AGG in unionsrechtskonformer
Auslegung entsprechend widerlegt hat. Zugleich ist den Parteien Gelegenheit zu
weiterem Vorbringen zu geben. Dies führte zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen,
Urteil vom 1. August 2019 - 5 Sa 196/19 -
Die wesentlichen rechtlichen Vorgaben lauten auszugsweise:
Art. 57 Abs. 1 AEUV:
Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts
für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.
§ 3 EntgTranspG (Verbot der unmittelbaren und mittelbaren
Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts):
(1) Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder
mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche
Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.
(2) Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn eine Beschäftigte
oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger
Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, als eine Beschäftigte oder ein
Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts erhält, erhalten hat oder
erhalten würde. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt auch im Falle eines
geringeren Entgelts einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
§ 7 EntgTranspG (Entgeltgleichheitsgebot):
Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit
nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt
vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des
anderen Geschlechts.
§ 10 EntgTranspG (Individueller Auskunftsanspruch):
(1) Zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses
Gesetzes haben Beschäftigte einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis
16. Dazu haben die Beschäftigten in zumutbarer Weise eine gleiche oder
gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen. Sie können Auskunft
zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Absatz 1 und zu
bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen.
§ 11 EntgTranspG (Angabe zu Vergleichstätigkeit und Vergleichsentgelt):
(3) Die Auskunftsverpflichtung in Bezug auf das Vergleichsentgelt erstreckt
sich auf die Angabe des Entgelts für die Vergleichstätigkeit
(Vergleichsentgelt). Das Vergleichsentgelt ist anzugeben als auf
Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median des durchschnittlichen
monatlichen Bruttoentgelts sowie der benannten Entgeltbestandteile, jeweils
bezogen auf ein Kalenderjahr, nach folgenden Vorgaben: …
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