Freitag, 24. Juli 2020

Herabsetzung einer Pensionskassenrente - Einstandspflicht des Arbeitgebers - Eintrittspflicht des Pensions-Sicherungs-Vereins.


Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

Setzt eine Pensionskasse wegen ihrer mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Pensionskassenrente herab, hat insoweit der Arbeitgeber einzustehen, der die Rente zugesagt hat. Wird über das Vermögen des Arbeitgebers ein Insolvenzverfahren eröffnet, kommt eine Einstandspflicht des Pensions-Sicherungs-Vereins VVaG (PSV) für Sicherungsfälle vor dem 1. Januar 2022 nur dann in Betracht, wenn die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung um mehr als die Hälfte kürzt oder das Einkommen des ehemaligen Arbeitnehmers wegen der Kürzung unter die von Eurostat für Deutschland ermittelte Armutsgefährdungsschwelle fällt.

Der Kläger bezieht ua. eine Pensionskassenrente, die von der Pensionskasse aufgrund eines Beschlusses ihrer Mitgliederversammlung wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten seit dem Jahr 2003 jährlich herabgesetzt wird. In der Vergangenheit hat die frühere Arbeitgeberin diese Leistungskürzungen wegen ihrer gesetzlichen Einstandspflicht aus § 1 Abs. 1 Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) ausgeglichen. Nachdem die frühere Arbeitgeberin insolvent geworden ist, fordert der Kläger vom PSV, für die von der Pensionskasse vorgenommenen Leistungskürzungen einzutreten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision des PSV hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Der Dritte Senat hat mit Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 AZR 142/16 (A) - den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ersucht zu klären, ob Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG eine Eintrittspflicht des PSV in derartigen Fällen verlangt. Mit Urteil vom 19. Dezember 2019 (- C-168/18 -) hat der EuGH die Vorlagefragen beantwortet. Eine unionsrechtliche Verpflichtung, die Betriebsrentner in derartigen Situationen abzusichern, besteht danach nur dann, wenn die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung um mehr als die Hälfte kürzt oder das Einkommen des ehemaligen Arbeitnehmers wegen der Kürzung unter die von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, für Deutschland ermittelte Armutsgefährdungsschwelle fällt.

In der Folge hat der Gesetzgeber durch Art. 8a des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1248) eine Haftung des PSV für die Einstandspflicht des Arbeitgebers im Falle einer Leistungskürzung einer Pensionskasse in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BetrAVG gesetzlich verankert. Ausnahmen gelten nur für Pensionskassen, die einem Sicherungsfonds angehören oder gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien sind. Für Sicherungsfälle vor dem 1. Januar 2022 kommt die Haftung nach einer Übergangsregelung in § 30 Abs. 3 BetrAVG jedoch nur unter den vom EuGH entwickelten Voraussetzungen in Betracht. Erst für spätere Sicherungsfälle haftet der PSV voll.

Im Streitfall ist der Sicherungsfall vor dem 1. Januar 2022 eingetreten und beide alternativen Voraussetzungen für eine Eintrittspflicht des PSV sind nicht erfüllt. Die Klage blieb deshalb erfolglos.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Juli 2020 - 3 AZR 142/16 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 2. Oktober 2015 - 10 Sa 4/15 -


Die maßgeblichen Vorschriften des Betriebsrentengesetzes lauten wie folgt:
"§ 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung
(1)1Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. 2Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen … Versorgungsträger erfolgen. 3Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

… § 7 Umfang des Versicherungsschutzes
(1)1Versorgungsempfänger, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, und ihre Hinterbliebenen haben gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. 2Satz 1 gilt entsprechend,
1. ...
2. ...
3. wenn über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers, dessen Versorgungszusage von einem Pensionsfonds oder einer Pensionskasse durchgeführt wird, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und soweit der Pensionsfonds oder die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt; ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung besteht nicht, wenn eine Pensionskasse einem Sicherungsfonds nach dem Dritten Teil des Versicherungsaufsichtsgesetzes angehört oder in Form einer gemeinsamen Einrichtung nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes organisiert ist. …

§ 30 Erstmalige Beitrags- und Leistungspflicht bei Insolvenzsicherung
(1) …
(2) Wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 durchgeführt wird, besteht ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn der Sicherungsfall nach dem 31. Dezember 2021 eingetreten ist. …
(3) Ist der Sicherungsfall nach Absatz 2 vor dem 1. Januar 2022 eingetreten, besteht ein Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung um mehr als die Hälfte kürzt oder das Einkommen des ehemaligen Arbeitnehmers wegen einer Kürzung unter die von Eurostat für Deutschland ermittelte Armutsgefährdungsschwelle fällt. …"


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