Freitag, 16. November 2018

Lassen Sie Ihre Arbeitsverträge prüfen!


Eine ganze Reihe von Verfallklauseln in Arbeitsverträgen dürften nach diesem Urteil des Bundesarbeitsgerichts unwirksam sein. Daher sollten Arbeitgeber die Klauseln schnellstmöglich prüfen lassen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2018, Az.: 9 AZR 162/18).

Ein Arbeitnehmer hatte in seinem Arbeitsvertrag folgende Klausel:

§ 11 Verfallfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.

Der Arbeitnehmer einigte sich mit seinem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht in einem Vergleich auf die Beendigung und Abrechnung seines Arbeitsverhältnisses. Das verlief soweit auch alles glatt und im Sommer des Jahres rechnete der Arbeitgeber das letzte Mal über den Lohn des Arbeitnehmers ab und zahlte die Beträge aus.

Erst mehr als sechs Monate später machte der Arbeitnehmer dann allerdings noch die Abgeltung von Urlaubsansprüchen geltend und klagte erneut. Der Arbeitgeber meinte nun aber, er sei auf der sicheren Seite aufgrund der oben zitierten Verfallklausel im Arbeitsvertrag. Er wollte nicht zahlen. Deshalb musste schließlich das Bundesarbeitsgericht entscheiden.

Das Bundesarbeitsgericht allerdings verurteilte den Arbeitgeber zur Abgeltung von 19 Urlaubstagen und damit zu einer Zahlung von knapp 1.700 € brutto. Die Ausschlussfrist musste der Arbeitnehmer nicht beachten, da sie unwirksam war. Sie hatte nicht den seit dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen. Ein Verzicht auf den Mindestlohn ist aber nach dem Gesetz verboten.

Fazit: Eine vom Arbeitgeber verwendete arbeitsvertragliche Verfallklausel, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch Ansprüche auf den gesetzlich garantierten Mindestlohn umfasst, ist unwirksam, wenn der Vertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde.

Mittwoch, 14. November 2018

Gewähren Sie rechtlich einwandfreie Pausen!



Dieses Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zeigt, dass Sie nur rechtlich einwandfreie Pausen, deren Lage vorher feststehen, gewähren sollten (Urteil vom 30.08.2018, Az.: 26 Sa 1151/17).

Im Taxi eines Arbeitnehmers war zur Zeiterfassung bei einer Standzeit stets nach jeweils drei Minuten von ihm eine Taste zu drücken. Daran wurde er durch ein akustisches und optisches Signal erinnert. Drückte der Fahrer die Taste nicht, wurde die darauf folgende Standzeit nicht als Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pausenzeit erfasst.

Das wollte sich der Fahrer aber nicht gefallen lassen und machte geltend, er habe auch Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für mangels Betätigung der Signaltaste als Pausenzeiten erfasste Zeiten. Er habe sich zu diesen Zeiten stets zur Aufnahme von Fahrgästen bereitgehalten. Ein Betätigen der Signaltaste sei nicht zumutbar und auch nicht immer möglich gewesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Mit dieser Argumentation lag er richtig. Er hatte einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn auch für Standzeiten ohne Betätigung der Signaltaste, denn bei den Standzeiten handelt es sich um vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten.

Das unterbliebene Betätigen der Signaltaste stand der Vergütungspflicht nicht entgegen, denn die Weisung, einen solchen Signalknopf alle drei Minuten zur drücken, war nicht von berechtigten Interessen des Arbeitgebers gedeckt und unverhältnismäßig.

Dass es sich bei den nicht erfassten Standzeiten nicht um Pausenzeiten handeln konnte, wurde auch an der Verteilung der Zeiten deutlich. Bei einer Zeit von knapp zwölf Stunden zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende entsprechen als Arbeitszeit erfasste Standzeiten von elf Minuten, wie sie hier angefallen waren, nicht den Arbeitsläufen im Taxigewerbe.


Montag, 12. November 2018

Zahlen Sie nicht alle Überstunden!



Wann müssen wir eigentlich Überstunden bezahlen? Einer unserer Mitarbeiter legte uns Ende letzten Monats eine Liste mit 134 Überstunden, die er seit Jahresbeginn gemacht haben will, vor und bat um Bezahlung. Wir sind aus allen Wolken gefallen, da wir von keiner Überstunde so wirklich Kenntnis hatten. Aber einmal unterstellt, der Arbeitnehmer hat tatsächlich diese Überstunden gemacht, wie ist das mit der Bezahlung?

Bei der Beantwortung kann ich es mir heute einmal etwas leichter machen und auf ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz verweisen (Urteil vom 08.05.2018, Az.: 8 Sa 14/18).

Wie so häufig begannen die Probleme auch in diesem Fall erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nachdem der Arbeitnehmer die letzte Abrechnung erhalten hatte, machte er Überstunden aus dem letzten Jahr geltend. Er meinte, er habe insgesamt 111 Überstunden geleistet, aber nicht vergütet bekommen.

Die Bezahlung der Überstunden bekam der Arbeitnehmer aber nicht. Denn er hatte die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Arbeitsvergütung für die Überstunden nicht ordnungsgemäß dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat ein Arbeitnehmer, wenn er die Vergütung von Überstunden verlangt, zunächst darzulegen und dann auch zu beweisen, dass er Arbeit in einem Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Er muss dazu im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Zudem setzt der Anspruch auf Vergütung von Überstunden voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind.

Die pauschale Behauptung des Arbeitnehmers, die Überstunden seien angeordnet worden, reichte nicht aus. Er hätte genau vorgetragen müssen, wer wann Überstunden angeordnet hat oder zumindest damit einverstanden gewesen war. Auch bei einer Duldung der Überstunden hätte genau dargelegt werden müssen, wann und wie der Arbeitgeber von den Überstunden Kenntnis erlangt hatte.

Also: Alleine die Entgegennahme der Anwesenheitszeiten begründet keine Kenntnis des Arbeitgebers zu einer Leistung von Überstunden. Überstunden müssen nur bezahlt werden, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet sind
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Mittwoch, 7. November 2018

Gibt es Urlaubsansprüche aus der ersten Elternzeit?



Was ist eigentlich mit Resturlaubsansprüchen aus einer ersten Elternzeit? Müssen wir die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bezahlen?
Ja, das werden Sie wohl müssen. Der Urlaub ist danach abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet oder es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt wird. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu entschieden, dass Arbeitnehmer bestehende Resturlaubsansprüche aus einer ersten Elternzeit nicht verlieren. Das gilt nunmehr sogar dann, wenn sich an die erste Elternzeit nahtlos eine zweite Elternzeit anschließt. Dazu ein Fall des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 20. Mai 2008, Az.: 9 AZR 219/07):

Eine Arbeitnehmerin nahm für ihr erstes Kind von Oktober 2001 bis Oktober 2004 Elternzeit in Anspruch. Während der Elternzeit kam im August 2003 ihr zweites Kind zur Welt und sie beanspruchte Elternzeit für den Zeitraum von August 2003 bis August 2006. Das Arbeitsverhältnis wurde dann zum 31.12.2005 beendet.

Mit ihrer Klage verlangte sie nun von ihrer Arbeitgeberin die Abgeltung von 27,5 Urlaubstagen aus dem Urlaubsjahr 2001. Dabei vertrat sie die Auffassung, dass ihr Resturlaubsanspruch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verfallen sei. Bei mehrfacher Inanspruchnahme von Elternzeit müsse auch eine mehrfache Übertragung des Resturlaubsanspruchs nach § 17 Abs. 2 BEEG erfolgen.

Das Bundesarbeitsgericht gab der Klage aus folgenden Gründen statt:

- dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 GG
- den Vorgaben in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie
- Art. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie
- und den Wertungen aus Art. 8 und 11 der Mutterschutzrichtlinie

Montag, 5. November 2018

Kennen Sie den Trick, aus Arbeitnehmern leitende Angestellte zu machen?



Dieser alte Arbeitgebertrick ist gehörig nach hinten losgegangen (Arbeitsgericht Neumünster, Beschluss vom 27.06.2018, Az.: 3 BV 3a/18). Aus einem „normalen“ Mitarbeiter sollte plötzlich ein leitender Angestellter werden. Der hätte dann nicht bei einer Betriebsratswahl kandidieren dürfen. Ganz so einfach geht das jedoch nicht:

Ein bundesweit tätiges Unternehmen im Bereich der Systemgastronomie hatte eine Vielzahl von Filialen. Ein Vorsitzender eines Betriebsrats war zugleich Filialleiter, der jedoch nach seinem schriftlichen Arbeitsvertrag nicht befugt war, gegenüber ihm unterstellten Mitarbeitern Arbeitgeberentscheidungen zu treffen. Das wäre jedoch ein Kriterium gewesen, um den Filialleiter im Sinne des Betriebsverfassungsrechts als leitenden Angestellten einzuordnen. Denn noch längst nicht jeder leitende Angestellte ist dieses auch im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.

Der Filialleiter erhielt eine neue Stellenbeschreibung, die die selbstständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vorsah. Als dann die nächste Betriebsratswahl kam, wurde der Filialleiter wieder in den Betriebsrat und dann zu seinem Vorsitzenden gewählt. Das nahm die Arbeitgeberin nun zum Anlass, die Betriebsratswahl anzufechten – mit wenig Erfolg.

Auch das Arbeitsgericht Neumünster war der Auffassung, dass es sich bei dem Filialleiter nicht um einen leitenden Angestellten gehandelt hatte. Die Vorlage der neuen Stellenbeschreibung hatte den Arbeitsvertrag nicht geändert und einseitig kann der Arbeitgeber entsprechende Änderungen nicht durchführen.

Also: Der Trick, aus Arbeitnehmern leitende Angestellte zu machen, funktioniert. Man muss es nur eben richtig machen. Und dazu gehört im Regelfall das Einverständnis des Arbeitnehmers.