In einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 21.04.2016,
Az. I ZR 276/14 „Lebens-Kost“) hat der BGH entschieden, dass ein
Schadenersatzanspruch bei unerlaubter Telefonwerbung nicht etwaige Schäden
durch den Vertragsabschluss erfasst. Der Schutzzweck der Norm des § 7 UWG als
einer reinen Ordnungsvorschrift erstreckt sich nicht auf die Entscheidungsfreiheit
von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern. Der BGH hat damit eine sog.
„Ausreißer-Entscheidung“ des LG Bonn (Urteil vom 05.08.2014, Az. 8 S 46/14)
kassiert, das aus § 7 UWG einen Vertragsaufhebungsanspruch herausgelesen hatte,
mit dem gegen den vertraglichen Vergütungsanspruch aufgerechnet werden könne.
Diese über § 242 BGB gebildete Aufrechnungskonstruktion – auf Geldzahlung
gerichteter Vergütungsanspruch gegen einen angeblichen Unterlassungsanspruch
auf Kaltakquise – hat der BGH nicht mitgemacht. Das steht auch in Einklang mit
der früheren BGH-Entscheidung (Urteil vom 30.05.2008, Az. 1 StR 166/07), wonach
die zivilrechtlichen UWG-Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823
Abs. 2 BGB sind (so auch ganz klar die Gesetzesbegründung zum UWG 2004,
BT-Drucksache 15/1487, S. 22, 34 und 43). Der BGH hat in seiner aktuellen
Entscheidung „Lebens-Kost“ mögliche Schadenspositionen auch nur zur gleichsam
gemäß § 7 UWG verbotenen Faxwerbung (Zeitaufwand, Kosten für Faxpapier,
Vorhaltekosten für Empfangseinrichtungen, Entsorgungskosten) erwähnt. Im Falle
der Telefonwerbung kommt er zu dem Ergebnis, das LG Bonn habe keinen Schaden
diesbezüglich festgestellt. Mit anderen Worten kann man daraus folgern, dass es
bei der Telefonwerbung generell überhaupt keinen Schaden gibt. Zu demselben
Ergebnis ist auch das LG Flensburg (Urteil vom 21.04.2016, Az. 4 O 26/16)
gelangt. Ein Kunde, der einen Vertrag über eine Internet-Werbe-Kampagne
abgeschlossen hatte, kam nach Vertragsreue – anwaltlich vertreten – auf den
Gedanken, sich nicht nur auf das (vom BGH aufgehobene) LG Bonn zu berufen,
sondern auch noch einen Unterlassungsanspruch wegen verbotener Telefonwerbung
aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in seinen Gewerbebetrieb geltend zu
machen. Das LG Flensburg hat zutreffend geurteilt, dass ein solcher Anspruch
jedenfalls nach der Entscheidung des Kunden, einen Vertrag zu schließen,
bereits an der Eingriffsintensität scheitert. Wer sich für den
Vertragsabschluss entscheidet, statt den Telefonhörer aufzulegen, kann nicht geschädigt
sein. In die gleiche Richtung geht in einem entsprechenden Fall das AG
Lampertheim. Dieses weist darauf hin, dass bei einem angeblichen Schaden ein
überwiegendes Mitverschulden (§ 254 BGB) desjenigen vorliegt, der sich statt
den Hörer aufzulegen und seine Zeit einzusparen dazu entscheidet, mit dem
Anrufer einen fernmündlichen Vertrag zu schließen.
Die vom BGH aufgehobene Entscheidung des LG Bonn
(Vertragsaufhebungs-Konstruktion) ist fast zwei Jahre lang in der
Internet-Werbebranche als Möglichkeit zur vorzeitigen Vertragsbeendigung
angepriesen worden. Zahlreiche Anwaltskanzleien haben in der Branche Jagd auf
Neukunden von Unternehmen gemacht, um ihr Vertragsaufhebungsmodell zu verkaufen
und Kunden gegen die Unternehmer aufzubringen. Zum Teil haben solche
Akquise-Kanzleien wie RA Meier-Bading, RAe LF-Legal, RA Radziwill u. a. mehrere
hundert Kunden eines Unternehmens pro Jahr durch gezielte Berichterstattung auf
Webseiten gewinnen können. Diesem lukrativen Geschäft hat der BGH mit der
„Lebens-Kost“-Entscheidung nun endlich ein Ende bereitet.
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