Mittwoch, 24. Oktober 2018

Was nun: fristgerechte oder außergewöhnliche Kündigung?



Welcher Arbeitgeber kennt das nicht: Da müsste man „eigentlich“ einen Mitarbeiter sofort vor die Tür setzen, will sich aber „sozial“ verhalten. Und das Ende vom Lied ist dann, dass die Justiz den Arbeitgeber dafür noch bestraft. So ähnlich ist es auch in dem Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.6.2018, Az.: 15 Sa 214/18, geschehen.

Eine Arbeitnehmerin hatte einen Arbeitszeitbetrug begangen. Sie hatte ihren Arbeitsbeginn an vier Tagen einfach zu früh in die entsprechende Liste des Arbeitgebers eingetragen. Der Arbeitgeber teilt ihr auch mit, dass nur eine außerordentliche Kündigung Betracht kommen würde. Er bot ihr allerdings an, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Jahres bestehen bleiben könne, damit sie ausreichend Zeit hat, sich eine neue Arbeit suchen.

Dann hörte der Arbeitgeber seinen Personalrat zu einer fristlosen Kündigung an, gegen die die Arbeitnehmerin natürlich klagte.

Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass grundsätzlich das Verhalten der Arbeitnehmerin für eine fristlose Kündigung gereicht hätte. Das Problem war aber die Interessenabwägung im Einzelfall, die für den Arbeitgeber des Falls nach hinten losging.

Der Arbeitgeber hatte hier eine soziale Auslauffrist gewährt und die Arbeitnehmerin während dieser Frist tatsächlich weiter beschäftigt. Das lässt aber logischerweise nur den Schluss zu, dass ihm eine Weiterbeschäftigung auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen ist. Damit hat aber kein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung mit sofortiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen.

Mehr noch: Eine Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung konnte auch unterbleiben, da der Arbeitgeber seinen Personalrat nur zu der fristlosen Kündigung angehört hatte.

Fazit: Die Weiterbeschäftigung steht der fristlosen Kündigung diametral entgegen und zerstört letztendlich den Kündigungsgrund.


Montag, 22. Oktober 2018

Vorsicht bei Wiedereingliederung von schwerbehinderten Arbeitnehmern.



Bei einem schwerbehinderten Arbeitnehmer sollten Sie eine gewünschte Wiedereingliederung nach einer längeren Krankheitsphase auf jeden Fall genehmigen. Andernfalls drohen Ihnen Schadensersatzansprüche, wie das Landgericht Berlin-Brandenburg entschieden hat (Urteil vom 23.05.2018, Az.: 15 Sa 1700/17).

Eine Lehrerin war bei einem Bundesland angestellt. Sie war längerfristig erkrankt. Dann schlug ihr Arzt eine Wiedereingliederung vor. Das ist die stufenweise Rückkehr an den Arbeitsplatz zunächst mit wenigen Stunden pro Tag bis hin zu einer vollschichtigen Arbeit. Den ganzen „Spaß“ bezahlt übrigens die Krankenkasse, da der Arbeitnehmer während dieser Zeit noch arbeitsunfähig erkrankt ist.

Trotzdem weigerte sich das Bundesland dem nachzukommen. Erst ein zweiter, späterer Antrag auf Wiedereingliederung der Lehrerin hatte Erfolg. Nur ihre volle Arbeitsfähigkeit erhielt sie durch die Ablehnung des ersten Antrags natürlich erst später. Und damit bekam sie auch später erst ihr übliches Gehalt.

Und das sah die Lehrerin nun gar nicht mehr ein. Sie forderte von ihrem Dienstherrn Schadenersatz. Hierbei ging es um etwas mehr als 2.000 €, die ihr fehlten, wenn sie früher wieder arbeitsfähig geworden wäre.

Das Landesarbeitsgericht sprach diesen Schadensersatzanspruch auch zu. Denn ein schwerbehinderter Arbeitnehmer kann nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX eine anderweitige Tätigkeit auch im Rahmen einer Wiedereingliederung verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkungen, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit sowie Dauer der Maßnahme ergeben. Die Bescheinigung muss darüber hinaus die Prognose erhalten, wann voraussichtlich die Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolgt. Versäumt es dann der Arbeitgeber schuldhaft, die behinderungsgerechte Beschäftigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zu ermöglichen, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Vergütung.

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Was nun: fristgerechte oder außergewöhnliche Kündigung?



Welcher Arbeitgeber kennt das nicht: Da müsste man „eigentlich“ einen Mitarbeiter sofort vor die Tür setzen, will sich aber „sozial“ verhalten. Und das Ende vom Lied ist dann, dass die Justiz den Arbeitgeber dafür noch bestraft. So ähnlich ist es auch in dem Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.6.2018, Az.: 15 Sa 214/18, geschehen.

Eine Arbeitnehmerin hatte einen Arbeitszeitbetrug begangen. Sie hatte ihren Arbeitsbeginn an vier Tagen einfach zu früh in die entsprechende Liste des Arbeitgebers eingetragen. Der Arbeitgeber teilt ihr auch mit, dass nur eine außerordentliche Kündigung Betracht kommen würde. Er bot ihr allerdings an, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Jahres bestehen bleiben könne, damit sie ausreichend Zeit hat, sich eine neue Arbeit suchen.

Dann hörte der Arbeitgeber seinen Personalrat zu einer fristlosen Kündigung an, gegen die die Arbeitnehmerin natürlich klagte.

Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass grundsätzlich das Verhalten der Arbeitnehmerin für eine fristlose Kündigung gereicht hätte. Das Problem war aber die Interessenabwägung im Einzelfall, die für den Arbeitgeber des Falls nach hinten losging.

Der Arbeitgeber hatte hier eine soziale Auslauffrist gewährt und die Arbeitnehmerin während dieser Frist tatsächlich weiter beschäftigt. Das lässt aber logischerweise nur den Schluss zu, dass ihm eine Weiterbeschäftigung auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen ist. Damit hat aber kein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung mit sofortiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen.

Mehr noch: Eine Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung konnte auch unterbleiben, da der Arbeitgeber seinen Personalrat nur zu der fristlosen Kündigung angehört hatte.

Fazit: Die Weiterbeschäftigung steht der fristlosen Kündigung diametral entgegen und zerstört letztendlich den Kündigungsgrund.


Dienstag, 16. Oktober 2018

Wissen Sie wie das mit der Überstundenregelung ist?



Viele Arbeitgeber wissen inzwischen: Wenn der Satz „Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“ im Arbeitsvertrag mit einem Mitarbeiter steht, können sie die entsprechende Regelung gleich in die Tonne kloppen. Denn eine solche Vereinbarung ist nur eines: unwirksam.

Begründung:

Für Ihren Mitarbeiter, dem sie einen solchen Satz in den Arbeitsvertrag geschrieben haben, ist nicht ersichtlich, wie viele Überstunden in welchem Zeitraum zu leisten sind. Der Satz ist also schlichtweg zu ungenau. Sie müssen schon ein ganz
konkret benanntes Kontingent festlegen (BAG, Urteil vom 01.09.2010, Aktenzeichen: 5 AZR 517/09).

Arbeitsrechtlich korrekt ist nur eine Formulierung wie zum Beispiel diese:

Mit der monatlichen Arbeitsvergütung sind Überstunden einschließlich Überstundenzuschläge im Volumen von (z. B.) 15 Stunden pro Monat bereits abgegolten.

Doch nun gibt es etwas Neues!

Auf einen Schlag sind alle, wirklich ALLE in Arbeitsverträgen genannten Ausschlussfristen unwirksam, wenn daraus nicht deutlich hervorgeht, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen ist.

In der beliebtesten Regelung in Formulararbeitsverträgen heißt es meist:

Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag sind innerhalb von 3 Monaten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen.

Haben Sie eine solche Vereinbarung mit Ihrem Mitarbeiter getroffen, kann der sich bequem zurücklehnen. Die Klausel ist gleich aus zwei Gründen unwirksam:

- 3 Monate sind zu kurz, hat das BAG entschieden (Urteil vom 24.8.2016, Az. 5 AZR 703/155).
- Der Anspruch auf den Mindestlohn muss zwingend ausgenommen sein. Sind Sie das in Tarifvertragsklauseln nicht, bleibt der Anspruch auf den Mindestlohn auf jeden Fall bestehen, auch wenn Ihr Mitarbeiter die Ausschlussfrist verpasst. Ist der Mindestlohnanspruch in einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel nicht ausgenommen, braucht sich der Mitarbeiter erst gar nicht an die Ausschlussklausel zu halten. Sie wirkt überhaupt nicht. Es gelten die gesetzlichen Verjährungsfristen. Beim Mindestlohn sind das 3 Jahre (BAG, Urteil vom 20.6.2018, Az. 5 AZR 377/17).
Auf der sicheren Seite sind Sie also mit einer Klausel wie dieser (Formulierungsbeispiel):

Musterformulierung: Ausschlussfrist

Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag sind innerhalb von 6 Monaten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen. Das betrifft auch die den Mindestlohn übersteigenden Entgeltanteile. Die Mindestlohnansprüche selbst sind von dieser Ausschlussfrist ausgenommen. Für sie gelten die gesetzlichen Fristen nachdem Mindestlohngesetz.


Freitag, 12. Oktober 2018

Benutzen Sie auch schon Streikbruchprämien?



Da hat das Bundesarbeitsgericht den Gewerkschaften aber ganz schön Wasser in die Suppe getan. Denn nach einem neuen Urteil steht nun eindeutig fest, dass Streikbruchprämien ein zulässiges Mittel des Arbeitskampfes sein können (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.08.2018, Az.: 1 AZR 287/17).

Und so hat sich der Fall zugetragen: In einem Einzelhandelsunternehmen sollte zur Durchsetzung einer Gewerkschaftsforderung gestreikt werden. Das Unternehmen sollte die Einzelhandelstarifverträge anerkennen. Der Arbeitgeber wehrte sich dagegen und versprach in einem betrieblichen Aushang allen Arbeitnehmern, die sich am Streik nicht beteiligen und arbeiten, die Zahlung einer Prämie. Zunächst sollten es pro Streiktag 200 € brutto seien und später 100 €. Teilzeitbeschäftigte sollten anteilige Prämien erhalten.

Ein Verkäufer in dem Einzelhandelsunternehmen erhielt pro Monat knapp 1.500 € brutto bei einer 30-Stunden-Woche. An dem Streik beteiligte er sich und ging gerade nicht zur Arbeit. Trotzdem verlangte er später die Zahlung der Prämie. Bei ihm ging es um 1.200 € brutto. Er meinte, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei durch die Auslobung der Prämie durch den Arbeitgeber verletzt worden.

Das sah das Bundesarbeitsgericht allerdings völlig anders. In einem Arbeitskampf können Streikbruchprämien ein zulässiges Kampfmittel des Arbeitgebers darstellen. Der Arbeitgeber, der bestreikt wird, ist grundsätzlich berechtigt, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zusage einer Prämie von der Streikbeteiligung abzuhalten. Dabei ist selbst eine Streikbruchprämie, die den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches übersteigt, nicht unangemessen.

Die Ungleichbehandlung zwischen den Arbeitnehmern ist aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Denn der Arbeitgeber will betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und damit dem Streikdruck entgegenwirken.