Lange Arbeitszeiten, schlechte
Arbeitsbedingungen, nervige Kollegen oder zu wenig Gehalt: All das mögen Gründe
sein, warum Angestellte mit ihrem Job unzufrieden sind. Doch nichts frustriert
Mitarbeiter am Arbeitsplatz mehr als ihr Chef. Die meisten Angestellten
kündigen, weil sie sich schlecht geleitet fühlen.
Die Folgen von Kündigung sind
langfristig: Das Unternehmen verliert das Know-How des Mitarbeiters und
womöglich sogar seine Kunden. Es muss die Stelle neu ausschreiben, den
passenden Kandidaten finden und einarbeiten. Das ist ein Aufwand, der Zeit und
Geld kostet.
Auch die Motivation der
verbleibenden Mitarbeiter wird durch ständigen Personalwechsel gehemmt. Das ist
das zentrale Ergebnis des "Engagement Index", einer repräsentative
Motivationsstudie des Beratungsunternehmens Gallup, die jährlich die emotionale
Bindung von Beschäftigten ermittelt.
Nicht alle, die kündigen, machen das
offiziell. Die "innere Kündigung" ist eine Haltung der
Arbeitsverweigerung, die dem Geschäft noch viel mehr schadet. Wenn Mitarbeiter
nur so tun, als arbeiteten sie, wird das Unternehmen sozusagen von innen
ausgehöhlt.
Vertragsbruch durch Chef
"Chefs spielen eine große
Rolle bei diesem Phänomen – oft sind sie nicht dazu geschult, Menschen zu
führen", erklärt Kurt Stapf, Wirtschaftspsychologe und Co-Autor des Buches
"Innere Kündigung. Wenn der Job zur Fassade wird".
Die zentrale Ursache für die
innere Kündigung sei der Bruch des "psychologischen
Arbeitsvertrages". Dieser enthält unausgesprochene Erwartungen, die der
Arbeitnehmer an das Unternehmen stellt: Werden sie nicht erfüllt, fühlt er sich
betrogen.
Der Betroffene beginnt zum
Beispiel damit, Verantwortung zu verweigern, was zur Folge hat, dass
Eigeninitiative und Leistung sinken. Indirekt protestiert er damit gegen
schlechte Führung: "Aus motivierten Leuten werden Verweigerer, wenn ihre
Bedürfnisse und Erwartungen bei der Arbeit über einen längeren Zeitraum
ignoriert werden", sagt Marko Nink, Studienleiter der aktuellen Gallup-Untersuchung.
Die Ergebnisse der Studie alarmieren: Fast ein
Viertel, also 24 Prozent der Befragten, hat innerlich bereits gekündigt. 61
Prozent machen nur Dienst nach Vorschrift und gerade 15 Prozent der
Beschäftigten haben eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber, die dazu
führt, dass sie sich freiwillig für dessen Ziele einsetzen.
Dabei schaden sich die Betriebe nicht nur
selbst: Die innere Kündigung ihrer Mitarbeiter verursacht auch einen
erheblichen Schaden für die Volkswirtschaft. Die jährlichen Kosten durch
Produktionseinbußen liegen nach Gallup-Hochrechnungen in Deutschland bei 112
bis 138 Millionen Euro..
Zufriedenheit wird am Chef gemessen
Wie zufrieden Mitarbeiter in ihrem Job sind,
hängt davon ab, wie gut sie ihr Verhältnis zum Chef bewerten. Mit einem Anteil
von 40 Prozent ist dieser Faktor der wichtigste für die Arbeitszufriedenheit –
das fanden Wissenschaftler von der Fakultät für Psychologie der Ruhr
Universität Bochum heraus. Je weniger zufrieden Mitarbeiter mit ihrem Chef
sind, umso weniger zufrieden sind sie mit ihrer Stelle. Wichtig sei den
Mitarbeitern ein vertrauensvoller, sensitiver und fairer Umgang sowie ein gutes
Aufgabenmanagement.
Unternehmen profitieren von
zufriedenen Mitarbeitern
Die Mitarbeiter machen ihre
Vorgesetzten für die innere Kündigung verantwortlich. "Man fragt sie nicht
nach ihrer Meinung, gibt ihnen weder positives Feedback, noch eine konstruktive
Rückmeldung zur Arbeitsleistung und interessiert sich nicht für sie als
Mensch", so Marko Nink.
Ungebundene Mitarbeiter hemmen die
Arbeitsprozesse und gefährden die Zukunft des gesamten Unternehmens – durch
ihre negative Arbeitshaltung lassen sie die schöpferische Kraft für Innovation
und Wachstum versiegen. Motivierte Mitarbeiter haben hingegen nicht nur mehr,
sondern sogar bessere Ideen.
"Dabei geht es nicht darum, dass
Mitarbeiter jeden Tag bahnbrechende Innovationen hervorbringen – von
entscheidender Bedeutung sind auch die vielen vermeintlich kleinen Ideen der
Beschäftigten", erklärt Marco Nink. Die Vorschläge von emotional hoch
gebundenen Menschen führten in 89 Prozent der Fälle zu Einsparungen, mehr
Umsatz oder zu höherer Effizienz.
"Meine wichtigste Erfahrung als Manager
ist die Erkenntnis, dass die Mitarbeiter das wertvollste Gut eines Unternehmens
sind und damit auch das wichtigste Erfolgskapital", sagte schon Werner
Niefer, der von 1989-93 Vorstandvorsitzender der Mercedes-Benz AG war. Dies
scheint aktueller denn je – denn noch wird die Mitarbeiterbindung von
Arbeitgebern offensichtlich leichtfertig vernachlässigt.
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