Sie wollen einen
neuen Mitarbeiter einstellen? Dann sollten Sie sehr vorsichtig sein, wenn Sie
die Arbeitszeugnisse der Bewerber durchlesen. Denn es gibt einige Merkmale,
anhand denen Sie "schlechte" von "guten" Zeugnissen
unterscheiden können.
Dass Arbeitszeugnisse voller Tücken sein können, dürfte mittlerweile
allgemein bekannt sein. Doch was an ihnen macht sie für einen Personalleiter
verdächtig? Auf dieser Seite haben wir die wichtigsten
Merkmale aufgeführt, anhand denen "schlechte" von "guten"
Zeugnissen getrennt werden können.
1) Angaben fehlen: "beredtes
Schweigen"
Wenn wichtige
Bewertungen oder ganze Passagen, z.B. zur Motivation oder zu
Schlüsselqualifikationen (u.a. Belastbarkeit, Urteilsvermögen, Flexibilität)
fehlen, kann das zwei Gründe haben: Entweder hat der Verfasser des Zeugnisses
diese Angaben schlicht und einfach vergessen bzw. für nicht wichtig erachtet
oder er hat bewusst darauf verzichtet. Unter Personalern wird dies als
"beredtes Schweigen" bezeichnet, d.h. die Leistungen waren in diesem
Aspekt "nicht der Rede wert".
Wenn also
beispielsweise ein Designer in seinem Arbeitszeugnis für seine "äußerst
sorgfältige Arbeitsweise" gelobt wird, eine Bewertung zur Kreativität aber
ausbleibt, muss er sich nicht wundern, wenn ihn potenzielle Arbeitgeber
aufgrund des Arbeitszeugnisses für einen ideenlosen Pedanten halten, der
womöglich auch noch sehr langsam arbeitet. Allein das vielsagende Fehlen des
abschließenden Dankes ("Wir danken ihm für seine sehr guten
Leistungen") reicht aus, um ein ansonsten gutes Zeugnis zur
Note 5 abzuwerten.
2) Lob unglaubwürdig: Gefälligkeitszeugnis
Ein
vor Lob überschäumendes Einser-Zeugnis ist keinesfalls eine Garantie für optimale
Erfolgschancen bei einer Neubewerbung – jedenfalls nicht, wenn sich die
Lobeselogen allzu auffällig als Teil eines Gefälligkeitszeugnisses entpuppen.
Warum? Hinter einem Gefälligkeitszeugnis verbirgt sich meist eine unfreiwillige
Beendigung des Arbeitsverhältnisses.1
Gerät
das Zeugnis also trotz kurzer Beschäftigungsdauer sehr umfangreich und reiht
pauschale Superlative ohne wirklich persönliche Würdigung aneinander, dann handelt es sich
augenscheinlich um ein Gefälligkeitszeugnis. Insbesondere bei Insolvenzen und
betriebsbedingten Kündigungen ist Vorsicht geboten.
3) Zeugnissprache
unprofessionell: Eigenentwurf
Wenn Arbeitgeber den
Eigenentwurf eines Arbeitnehmers akzeptieren und unterzeichnen, wollen sie -
wie auch beim Gefälligkeitszeugnis – eine Kündigung möglichst konfliktfrei und
versöhnlich gestalten. Die Chance, einen Eigenentwurf einzureichen, sollten Sie
unbedingt nutzen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Die Fehlermöglichkeiten in
Eigenentwürfen von Arbeitszeugnissen sind unbegrenzt!
Vor allem am
ausgeglichenen Verhältnis von Wahrheit und Wohlwollen scheitern viele
Zeugnis-Selbst-Schreiber – ohne es zu merken. In der Folge entstehen
unglaubwürdige Wertungen, an denen jeder Personaler erkennt, dass sich hier
jemand selbst lobt.
Sie sollten sich übrigens
nicht darauf verlassen, dass Sie Ihr Personalleiter auf mögliche Fehler
aufmerksam macht. Dieser hat erfahrungsgemäß kein Interesse, Mitarbeitern die
Feinheiten der Zeugnissprache zu erklären. Und auch wenn der selbst entworfene
Zeugnistext komplett übernommen wird, bleibt dem Arbeitgeber noch Raum für eine
Distanzierung: Wenn
der Arbeitgeber nicht über, sondern unter der maschinenschriftlichen
Namenswiederholung unterschreibt.
4)
Missverständliche Textbausteine: uneinheitliche Bedeutung
Zeugnisfachbücher oder
Zeugniserstellungssoftware bieten einen ganzen Katalog hilfreicher
Textbausteine. Auf der sicheren Seite ist man damit trotzdem nicht, denn die
Autoren wenden sehr unterschiedliche Maßstäbe an. Zum Beispiel empfiehlt der
Autor Günter Huber in seinem weit verbreiteten Fachbuch "Das
Arbeitszeugnis in Recht und Praxis" (Haufe Verlag) für die Note 3 bei der
Arbeitsbefähigung diesen Baustein anzuwenden: "Seine folgerichtige
Denkweise kennzeichnet seine sichere Urteilsfähigkeit in vertrauten Zusammenhängen.
Er findet brauchbare Lösungen".
Personalentscheider, die
das Buch von Huber nicht kennen, würden diese Formulierung weit schlechter als
Note 3 einschätzen. Zum Vergleich: Die Note 5 klingt bei Huber so: "Im
vertrauten Zusammenhang kann er sich im Wesentlichen auf seine Urteilsfähigkeit
stützen."
Wer Fehlinterpretationen
des eigenen Zeugnisses ausschließen will, sollte also nicht nur die
Einschätzung des ursprünglichen Autors kennen, sondern auch berücksichtigen,
wie ein Zeugnisleser die Aussagen instinktiv deutet. Bei einer
Stellenausschreibung hat derjenige Bewerber die besseren Karten, dessen
Arbeitszeugnisse auf den ersten Blick dem allgemein üblichen Aufbau entsprechen. Insbesondere Aufgaben, Gesamtnote und Erfolge des
Bewerbers sollten sofort erkennbar sein. Wer es nicht weiß: Jedes
Arbeitszeugnis besteht aus den Abschnitten "Einleitung",
"Werdegang", "Stellenbeschreibung", "Leistungs- und
Verhaltensteil" und "Beendigungsformel". Die Abschnitte
"Werdegang" und "Stellenbeschreibung" müssen sachlich und
vor allem wertungsfrei gehalten sein.
Im Leistungsteil bewertet
der Zeugnisaussteller nacheinander Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung und
Fachwissen. Danach folgen Angaben zur praktischen Umsetzung, das heißt zur
Arbeitsweise und zum Arbeitserfolg. Der Leistungsteil endet mit der
Leistungszusammenfassung (z.B. "...erledigte alle Aufgaben stets zu
unserer vollen Zufriedenheit"). Erst anschließend folgt die Bewertung des
Verhaltens.
5) Nachträgliche
Änderungen im Arbeitszeugnis: Widersprüche
Wenn sich Arbeitnehmer
nachträglich für eine Aufwertung ihres Zeugnisses einsetzen, gehen ihnen oft wichtige Passagen durch die
Lappen. Beispiel: Der Arbeitgeber bescheinigt dem
ausgeschiedenen Mitarbeiter wunschgemäß, dass er seine Aufgaben zur
"vollsten Zufriedenheit" erfüllt hat.
Fehlt jedoch im Zeugnis
dieses offenbar ausgezeichneten Mitarbeiters die Dankes- und Bedauernsformel,
so wirkt die Beurteilung der - für sich gesehen - sehr guten Leistung
unglaubwürdig. Personalentscheider erkennen an diesem Widerspruch sofort, dass
dieses Zeugnis sehr wahrscheinlich Ergebnis einer Nachverhandlung ist.
6) Versteckte Kritik: Verschlüsselungen
Verschlüsselungstechniken
erlauben es dem Zeugnisaussteller, negative Urteile zwischen den Zeilen zu
äußern, ohne dass sie für den ungeübten Leser erkennbar sind.
Personalentscheider bedienen sich - neben dem schon erwähnten "beredten
Schweigen" - insbesondere dieser drei Techniken:
Negationstechnik: Während im
normalen Sprachgebrauch eine doppelte Verneinung die Aussage verstärkt (z.B.
"nicht unerheblich" = wichtig), bewirkt sie in der Zeugnissprache
eine Abwertung. Gab das Verhalten eines Beurteilten beispielsweise "keinen
Anlass zu Beanstandungen", dann war es aber auch nicht gerade lobenswert.
Passivierungstechnik: Aussagen wie
"die Aufgaben, die ihm übertragen wurden, führte er zielstrebig aus"
verweisen auf mangelnde Eigeninitiative.
Ausweichtechnik: Unwichtiges
und Selbstverständliches wird gegenüber den wirklich wichtigen Aussagen
hervorgehoben, z.B. wenn einem Werbegrafiker ein besonders sparsamer Umgang mit
Betriebsmitteln bescheinigt wird.
7) Schlechter
Eindruck: Stil- und Rechtschreibfehler
Rechtschreibfehler,
Tippfehler und stilistische Mängel sind pures Gift für das Zeugnis. Dabei kann
sich der Zeugnisempfänger nicht darauf berufen, dass die Fehler jemand anderes
gemacht hat. Schließlich
hätte er diese Mängel bemerken und reklamieren müssen.
Häufigste Fehler:
Personalpronomen sind groß geschrieben, obwohl es sich nicht um eine Anrede
handelt ("Alle Aufgaben erledigte Sie...", "Dabei umfasste Ihr
Aufgabengebiet..."; korrekt ist jedoch: "Alle Aufgaben erledigte
sie...", "Dabei umfasste ihr Aufgabengebiet..."). Nicht selten
kommt es zudem bei der Angabe persönlicher Daten zu Stilbrüchen: "Frau
Rita Schulz, geboren am 01. Mai 1960, trat am 01.05.2000 in unser Unternehmen
ein". Auch ein nicht durchgängig eingehaltener Blocksatz entwertet ein
Zeugnis. Insbesondere die Stellenbeschreibung fällt hier oft aus dem Rahmen.
8) Keine
persönliche Note: geringe Wertschätzung
In einem sehr guten
Zeugnis sprechen die Erfolge für sich selbst. Konkrete Beispiele können daher
die Glaubwürdigkeit eines Zeugnisses unterstreichen und ihm eine persönliche
Note geben. Fehlen diese Beispiele, mangelt
es entweder an Erfolgen oder an Wertschätzung.
Ein anderer Weg mangelnde
Wertschätzung auszudrücken: Das Zeugnis wird von einer unwichtigen Person
unterschrieben. Im Idealfall unterzeichnen der Geschäftsführer und der direkte
Vorgesetzte.
9) Mängel im
Arbeitszeugnis nicht beseitigt: nachlässiger Bewerber
Wer sich in ungekündigter
Stellung erfolgreich neu bewirbt, misst seinem Zeugnis keine entscheidende
Bedeutung zu. Die Quittung kommt erst bei der übernächsten Neubewerbung - dann
können unvorteilhafte Zeugnisaussagen zu einem echten Problem werden.
In aller Regel ist es da aber zu spät: Nach gültiger Rechtsprechung ist es dem
ehemaligen Arbeitgeber nach Monaten oder sogar Jahren nicht mehr zuzumuten,
sich noch einmal mit dem Sachverhalt zu befassen. Und so bleibt das Zeugnis was
es ist: eine
Karrierebremse mit Langzeitwirkung.
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