Montag, 4. April 2016

Diskriminierungen wegen Religion: Dürfen wir hier wirklich nicht einschreiten?

Die Frage: Wir wissen nicht genau, ob wir unseren Mitarbeitern in der Kita das Tragen religiöser Zeichen verbieten sollen. Unser Betriebsrat ist nämlich mit einem entsprechenden Antrag an uns herangetreten. Gibt es Urteile zu diesem Bereich, damit wir einmal sehen können, wie Gerichte entschieden haben?

Die Antwort: Ja, gibt es. ich habe Ihnen einmal vier grundlegende Urteile herausgesucht. Letztendlich geht es um nach dem AGG verbotene Benachteiligungen wegen der Religion oder Weltanschauung. Dabei geht es um jedes religiöse Bekenntnis. Es ist nicht auf die Zugehörigkeit einer bestimmten Glaubensgemeinschaft beschränkt.

Der 1. Fall: Wann die Konfession ein Rolle spielt

Das LAG Hessen musste sich mit der Konfession von Arbeitnehmern beschäftigen (Urteil vom 8.7.2011, Az. 3 Sa 742/10). Eine kirchliche Einrichtung suchte per Stellenanzeige einen Juristen. Voraussetzung war die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche. Ein nichtkirchlicher Rechtsanwalt bewarb sich und wurde abgelehnt. Der Anwalt hielt sich aber für besser qualifiziert als der tatsächlich eingestellte Bewerber. Er sah eine Benachteiligung wegen fehlender Kirchenmitgliedschaft und forderte Entschädigung nach dem AGG.

Die Entscheidung des Gerichts: Das LAG Hessen gab dem Anwalt Recht. Er hatte die Vermutung der Benachteiligung stichhaltig dargelegt. Der Arbeitgeber konnte diese Vermutung nicht ausreichend widerlegen.

Der 2. Fall: Religion spielt in der Pflege keine Rolle

Kein Arbeitnehmer darf wegen seiner Religionszugehörigkeit benachteiligt werden – auch nicht im Krankenhaus (Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 14.12.2012, Az. 2 Ca 4226/11). Ein in Trägerschaft der katholischen Kirche stehendes Krankenhaus hatte einen objektiv geeigneten Bewerber für eine Stelle als Intensivpfleger abgewiesen, weil dieser nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft war. Der Pfleger fühlte sich deswegen diskriminiert und verlangte eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern.

Das Krankenhaus musste am Ende zahlen, wenn auch nicht die vollen 3 Gehälter. Denn weist ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft die Bewerbung eines Krankenpflegers allein mit der Begründung zurück, er sei nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft, ist dies eindeutig eine Diskriminierung im Sinne des AGG. Der Bewerber hat dann Anspruch auf eine Entschädigung.

Die Kirche darf nach ihren eigenen Vorgaben in § 3 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen.

Wichtig: Es kann also in Bezug auf die Religion Ausnahmen geben (§ 8 AGG). Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion kann auch Einstellungsvoraussetzung sein. Dazu muss es dann aber einen konkreten Bezug zur Aufgabe geben. Denkbar ist das z. B. bei der Einstellung einer Erzieherin in einem strikt katholischen Kindergarten.

Der 3. und 4. Fall: Das Kreuz an der Kette

Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, wer bei der Arbeit ein Kreuz tragen darf und wer nicht (Urteil vom 15.1.2013, Rs. 48420/10, 59842/10, 51671/10, 36516/10).

Eine Frau arbeitete als Bodenangestellte einer Fluggesellschaft. Sie trug bis 2006 aus religiösen Gründen ein Kreuz unter ihrer Uniform. Ab 2006 trug sie das Kreuz offen sichtbar. Ihr Arbeitgeber verbot ihr dies und schickte sie in unbezahlten Urlaub. Er berief sich dabei auf den Uniform-Kodex der Fluglinie. Dieser verbot allen Angestellten das offene Tragen von Schmuck oder religiösen Zeichen. Praktizierenden Sikhs und Moslems war aber das Tragen von Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit gestattet.

Ein weiterer Fall handelte von einer britischen Krankenschwester. Dieser verbot der Arbeitgeber das Tragen einer Halskette mit Kreuz. Die Dienstkleidung hatte einen V-Ausschnitt, sodass das Kreuz offen sichtbar war.

Beide Frauen wehrten sich gegen die Verbote.

Die britische Krankenschwester muss auf ihr Kreuz verzichten. Die Begründung: Im Krankenhausbereich berge die Kette eine Verletzungsgefahr. Sie sei ebenso ein Herd für Keime und damit gehe ein gewisses Ansteckungsrisiko einher. Somit seien übergeordnete Rechte im Spiel – das Tragen der Kette könne hier untersagt werden.

Besser kam hier die Stewardess davon: Diese durfte ihr Kreuz weiter tragen. Die Richter sahen keinen Grund, warum das Kreuz hier störend sein soll. Der Stewardess wurde zudem ein Schadensersatzanspruch von 2.000 € zugesprochen.

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